Exkurs: Raummetaphern / Raumkonzepte im Netz

Ich schulde hier ja noch einen Blick auf den Entwurf einer Techniktheorie, muss aber mal kurz einen kleinen Exkurs zu einem anderen Theorieschnipsel aus dem Bereich Interaktion / Kommunikation im Internet einlegen. Meine Kollegin Kalja hat mich auf einen Aspekt der Netzkommunikation hingewiesen, den ich bislang generös links liegen ließ. Genauer fragte sie, ob ich bei meinem wiederholten Reden von Facebook als „Ort“ und „soziale Situation“ eigentlich ein bestimmtes Raumkonzept verfolgen würde. Äh, bislang nein.

Raummetaphern für die populäre und wissenschaftliche Beschreibung digitaler Kommunikationsformen sind allgegenwärtig: der „Cyberspace„, Netzwerkseiten als „Kommunikationsräume„, die etwas veraltete „Datenautobahn“ (angeblich 1978 von Al Gore erstmals erwähnt), McLuhans „global village“, die Windows- und Schreibtisch-Metapher, und schließlich ist auch „das Netz“ ein Artefakt, das sich durch seine Ausdehnung bzw. Verknüpfung verschiedener Punkte im Raum definiert.

Interessant wird die häufige Verwendung von Raummetaphern, wenn man sie als in Konflikt mit der Raum und Zeit überwindenen Eigenart von digitaler Kommunikation interpretiert: Wieso wird ausgerechnet im weitgehend körperlosen Netz ständig vom „navigieren, springen, stöbern, reisen, sich verlieren“ (K. Wenz: Cybertextspace. Raummetaphern und Raumstruktur im Hypertext) gesprochen?

Das für Kulturwissenschaftler naheliegendste Argument ist auch das von Karin Wenz im erwähnten Text: Die (Gestaltungs-) Metaphern digitaler Kommunikationswege sind abgeleitet von kulturellen Artefakten wie z.B. Gebäuden, Städten oder Karten; sie greifen auf kulturelle räumliche Modelle zurück. Wenn diese Übertragung besonders explizit und in der Geschmacksrichtung „gute alte Zeiten“ verläuft, heißt dieses Designprinzip wohl Skeuomorphismus, habe ich neulich gelernt.

Wenz stellt das kulturelle Raumkonzept neben ein kognitives, das betont, dass menschliches Erinnern und Denken per se in räumlichen Metaphern stattfinden. Und auch die Bilder und Texte des außerhalb eines biologischen Gehirns befindlichen Hypertextes würden erst „lebendig, wenn sie [wieder] in einen Denkraum überführt werden“ (V. Grassmuck: Die Turing Galaxis.). Ich halte diese beiden Raumkonzepte sowohl als Analysekatgeorien für ein adäquates Verstehen von Netzkommunikation, als auch für die Erklärung des dabei vorgängigen immanenten Rückgriffs auf Raummetaphern für sehr plausibel.

Aus meiner empirischen Arbeit zu jugendlichen Facebook-Nutzern kann ich bestätigen, dass diese von Facebook fast durchgängig in derselben Qualität als einem Ort sprechen, wie von ihrer Schule oder der Wohnung ihrer Eltern. Man ist „auf“, „in“ oder „bei“ Facebook und trifft sich „dort“. Diese Thematisierungen der Plattform mit Raummetaphern geschieht immer im Hinblick auf ihre zentrale Funktion: Informationen und Kommunikationen mit- und übereinander bereit zu stellen. Unter Rückgriff auf Goffman möchte ich diese Beobachtung zu einem dritten, sozialen Raumkonzept von digital vermittelter Kommunikation verdichten:

Nach Goffman ist eine soziale Situation, „diejenige räumliche Umgebung, und zwar in ihrem ganzen Umfang, welche jede in sie eintretende Person zum Mitglied der Versammlung macht, die gerade anwesend ist (oder dadurch konstituiert wird). Situationen entstehen, wenn gegenseitig beobachtet wird, sie vergehen, wenn die zweitletzte Person den Schauplatz verlässt.“ (E. Goffman: Verhalten in sozialen Situationen. Strukturen und Regeln der Interaktion im offentlichen Raum. S. 29) Die Betonung des Raumes durch Goffman geschieht ausdrücklich nicht metaphorisch, mehrfach hat er darauf hingewiesen, dass medial vermittelte Interaktionen – eben aufgrund ihrer Mittelbarkeit – ihn höchstens als Randfälle der sozialen Begegnung interessieren.

Wenn wir nun mit dieser Konzeption auf die Kommunikation in sozialen Netzwerkseiten (und gern auch auf die in Foren oder Kommentarspalten) schauen, sehen wir, dass viele kleine Informationen wie das Statussymbol im Chat-Programm oder die Datierung aller Äußerungen uns die Möglichkeit geben, uns als anwesend zu erkennen, bzw. uns durch die Kenntnis von E-Mail-Benachrichtungen und dem regelmäßigen Besuch der Seiten gegenseitig als potentiell anwesend idealisieren. Kurz: Eben solche Seiten wie Facebook ermöglichen den Nutzern durch technische Repräsentationen Anwesenheit und Verfügbarkeit zu symbolisieren – und schließlich auch herzustellen. Die häufige Apostrophierung von Facebook als Ort ist damit nicht nur metaphorisch aus historischen-kulturellen Gründen und anthropologisch-kognitiv plausibel, sondern auch funktional: Das technische Ziel Facebooks ist die Herstellung sozialer Situationen, somit nimmt es für darüber vermittelte Interaktionen dieselbe Rolle ein, wie die physische Räumlichkeit in Goffmans Analyse von face to face-Begegnungen. Nicht zuletzt deswegen lassen sich viele der von Goffman beobachteten Regeln des alltäglichen Aufeinandertreffens in Abwandlungen auch auf sozialen Netzwerkseiten beobachten – Sie funktionieren wie die physischen Räume der face to face-Begegnungen [12.03.2013, 15.56 Uhr: Die letzten drei Sätze dieses Absatzes wurden im Vergleich zur ersten Version des Eintrags nachträglich geschärft, Danke Smithers!]

[Dieses soziale Raumkonzept als Analysekategorie für digitale Kommunikation ist eigentlich erst fertig gedacht, wenn man seine Rückwirkung auf alltägliche Interaktionsformen einbezieht. Ich meine das explizit nicht im Modus kulturpessimistischen Verfallsgeschichte, aber das Argument Villem Flussers, dass der Fortschritt der „Komputation“ die Probleme des sozialen Lebensraums (z.B. öffentlich/privat) zu Problemen des von der informationswissenschaft bearbeiteten virtuellen Raums macht, ist mir doch noch sehr gut im Ohr. (V. Flusser: Räume)]

15 Kommentare

ohne das hier (jetzt) ausführen zu wollen bzw. zu können: man könnte das noch – wieder mit goffman – weiter denken. er unterscheidet ja unterschiedliche ‚territorien des selbst‘, vom intimen nahbereich bis hin zu grösseren territorien, die man trotzdem mit anderen geteilt (und von ihnen gestört werden kann wie goffman auf der ski-piste von grölenden co-anwesenden). diese unterschiedlichen distanzen, bei goffman noch ganz klassisch in entfernungsangaben in metern (oder vermutlich yards) gedacht, existieren auch im netz und auch an orten wie facebook. die anwesenheit im chat oder auf der wall wären dann (auch) unterschiedliche netz-räumliche distanzen – mit konsequenzen für kommunikationsregeln, verletzbarkeit, genervt-sein etc. ich will damit nicht sagen, dass die räumlichen logiken im netz genauso funktionieren wie auf der ski-piste oder am strand (das sichern einer domain als morgens auf die liege gelegtes handtuch?). aber das gegenteil mag ich auch nicht behaupten. und insofern ist es vielleicht doch mehr als eine apostrophierung, wenn vom raum im netz die rede ist.

danke für die anmerkungen! ich denke, ich habe mich mit „apostrophieren“ unglücklich ausgedrückt und werde das auch gleich im text noch einmal ändern. ich teile deine sicht und würde auch sagen, facebook kann nicht nur metaphorisch als sozialer raum beschrieben werden, sondern über weite strecken auch funktional.
ich konnte auch zahlreiche territorien des selbst und deren abstufungen beobachten, ich denke da könnte man durch empirische arbeit relativ schnell auch formale bis hin zu quantifizierbaren regeln der erlaubten bzw. verbotenen sozialen nähe entdecken. die eindrücklichste beobachtung dahingehend war die flächendeckende ablehnung von selbstentblößenden und selbstbeschmutzenden äußerungen auf facebook – also der art von selbstbeschädigungen, die die würde an sich betreffen.

Ich finde das gut gedacht und methodisch nützlich, im Grunde aber bereits zu umständlich. Einfacher argumentieren könnte man von der Wahrnehmung her. Denn Kognition ist nicht so »advanced« wie offensichtlich immer gemeint wird. So gedacht, entsteht räumliche Nähe einfach nur aus dem, was unsere Gliedmaßen hergeben, räumliche Trennung aus der Kraft unserer Muskeln. Und weil die Summe dieser Anlagen im Laufe unserer Entwicklung unsere Verrichtungsmöglichkeiten grundlegend markiert, können wir gar nicht anders, als unsere Außenwelt (vom Körper aus gedacht) als Raum wahrzunehmen. Und wenn wir nun gar nicht so »advanced« sind, wie ich hier behaupte, dann wird der Cyberspace als Raum gedacht, weil wir gar nicht anders können.

Stephenson, N., 1991. Snow Crash.
Mayr, E.: »What evolution is«, 2003. Bertelsmann Verlag, München
Petruschat, J., 2005. Das Leben ist bunt, form+zweck 21.

Arne leitet es sehr gut her. Man kann es zudem in der Sprache überall beobachten – sie ist generell durchsetzt mit räumlichen Vorstellungen (setzen, stellen, legen, gehen; hoch, tief; auf, unter, über, vor, etc. etc.). Schon der Grammatik (Dativ und Akkusativ) liegen wesentlich Vorstellungen zugrunde, die aus der Raumwahrnehmung herrühren. Beim Internet fällt das Denken in Räumlichkeiten nur insofern auf, als da das Nicht-Räumliche evident ist. Allerdings bleibt der Tatbestand, dass die Verräumlichung uns daran hindert, das Netz als das zu denken, was es ist – eben als Netz mit eigenartigen hyperbelartigen Effekten. Generell kriegt der Mensch es kaum im Hirn geregelt, sich nicht lineare Entwicklungen und Prozesse vorzustellen – „not so advanced“.

„Generell kriegt der Mensch es kaum im Hirn geregelt, sich nicht lineare Entwicklungen und Prozesse vorzustellen“ ist ein Satz, den ich sehr gut finde!

wunderbar, danke für den literaturhinweis. das wäre im text das kognitiv begründete raumkonzept – wahrnehmung in katgeorien des räumlichken als anthropologische grundkonstante. das „umständliche“ ist deswegen von nöten bzw. nützlich, weil es uns zum einen die konkreten ausformungen und abstufungen innerhalb dieses rahmens zeigt [wie kam es vom aufrecht gehenden savannen-wesen zur in draufsicht skalierten landkarte und von dort über mit streetview zurück zum fußgänger?]. zum anderen haben wir, und damit die, die wir verstehen und erklären wollen, keinen unmittelbar zugriff zu unserer wahrnehmung, wir eerleben sie nur. der zugriff auf sie ist immer schon überformt, vermittelt und durch kulturelle muster geschleift, bzw. darauf bezogen.

Man könnte mit Goffman aber auch die gegensätzliche Position einnehmen und argumentieren, dass Kommunikationen via Internet gerade nicht wie face-to-face-Situationen funktionieren, weil die menschliche Wahrnehmung als wichtige Stütze wegfällt. Goffman selbst spricht bei Kommunikation via Brief, Telefon von „blinden Transaktionen“. Das kann man auch auf das Internet übertragen. Auf meinem Blog argumentiere ich auch unter Berücksichtigung der „Territorien des Selbst“ ähnlich und betone die Bedeutung der Anwesenheit für gelungene Kommunikation. Abwesenheit kann sich auch als Störfaktor auswirken. Selbst Statuszeichen der Anwesenheit oder der aktuellen Erreichbarkeit im Internet können in die Irre führen. Das merkt man immer dann, wenn es beim Chatten mit der Antwort des Kommunikationspartners mal wieder länger dauert und man nicht weiß warum. Ich kenne Leute, die facebook gar nicht mehr nutzen, weil sie von diversen facebook-Freunden nicht angeschrieben werden wollten. Der Grund war einfach, dass sie nicht wussten, dass man die Chat-Funktion auch deaktivieren kann. An solchen Beispielen zeigt sich für mich, dass Kommunikation via Internet nicht wie Kommunikation unter Anwesenden funktioniert. Die Raummetapher führt dabei nur in die Irre. Man könnte auch die Kategorie „virtuell“ im Unterschied zu „physisch“ stärker berücksichtigen.

Das Thema Kommunikation und Internet habe ich auch unter Berücksichtigung der Interaktionstheorien von Goffman und Collins auf meinem Blog bereits mehrmals behandelt (die Texte über Öffentlichkeit, Beobachtbarkeit, Kontingenz & Kritik und mein aktueller). Gerade mit Collins, der mit seiner Interaktionstheorie direkt an Goffman anschließt, sieht man die Unterschiede zwischen Kommunikation unter Anwesenden und Kommunikation unter Abwesenden.

danke für den umfangreichen beitrag, zu dem ich mich kurz verhalten möchte:

unterschiedlich-/gemeinsamkeit f2f/online-interaktionen:
meine position ist keine unterschiedslosigkeit oder identität der beiden. ich weiß auch, wie goffman zu medial vermittelter interaktion geschrieben hat. ich denke aber, dass gerade das internet und ganz besonders soziale netzwerkseiten diesbezüglich – explizit nicht unter ausklammerung struktureller unterschiede – eine rückverschiebung bedeuten: facebook bringt eben das goffman’sche face in die internetkommunikation, indem es sich so explizit an den alltagsverbindungen seiner nutzerinnen orientiert. [zumal ich ziemlich sicher bin, dass goffman in erfahrung des internets diese strikte trennung revidiert hätte, aber das ist spekulation.]

raumbegriff:
ja, der von mir angelegte „soziale“ raumbegriff ist ein virtueller im unterschied zu goffmans explizit physisch-räumlichen. hier hat mir trevor pinchs interpretation der „mundane technologies“ bei goffman inspiration gegeben: auch der physische raum bei goffman ist immer schon vermittelt und vermittelnd und zwar vor allem im hinblick auf die von mir auch zitierte kernfunktion: begegnungen, gegenseitige wahrnehmung ermöglichen. diese konzeption finde ich sehr hilfreich und nicht irreführend. die frage bei der übertragung auf online-interaktionen lautet ja nicht „ob“, sondern „wie“ – schließlich sitzen menschen vor den bildschirmen. und da finde ich fundamentalunterscheidungen – erneut: ohne unterschiede zu negieren – einfach nicht hilfreich.

[zu virtualität und ihrer rolle in f2f-begegnungen könnte man noch einiges im hinblick auf anthropologische grundkonstanten (plessner, cassirer) und symbole (soeffner) schreiben, aber das habe ich andernorts ausführlicher getan.]

Ich bestreite nicht, dass in der Übertragung des Interaktionsmodells auf Kommunikationsweisen via Internet gewisse Erkenntnisgewinne zu erzielen sind, ebenso mit der Raum-Metapher. Trotzdem kann ich gerade auch hinsichtlich der Frage, wie Goffman heute Kommunikation via Internet beobachten würde, Randall Collins‘ „Interaction Ritual Chains“ nur wärmstens ans Herz legen. Er entwickelt Goffmans Interaktionstheorie konsequent weiter und macht auf einen wichtigen Aspekt der Kommunikation via Internet aufmerksam, nämlich dass es durch Kommunikation unter Abwesenden nicht gelingt denselben Grad Engagement und emotionaler Anteilnahme zu generieren, wie es bei der Kommunikation unter Anwesenden möglich ist. In dieser Hinsicht wird man durch das Internet immer ausgebremst. Anhand der empirischen Belege, die er bringt, finde ich das einen bedenkenswerten Punkt. Ich verdanke übrigens Frau Wohlrab-Sahr den Hinweis auf dieses Buch.

collins ist fast immer ein guter gewährsmann [mission „altmodische begriffe in comments unterbringen“ accomplished!]. ich verstehe auch, was du meinst und würde dem gar nicht grundlegend widersprechen, sondern von einer ganz anderen seite auf „das“ phänomen blicken.

die anführungszeichen deuten es schon an: was ist internetkommunikation? collins meint in „intercational ritual chains“ damit i.d.r. textbasierten chat. heute ist „internetkommunikation“ so ubiquitär und konvergent, dass der begriff an sich überhaupt keine empirische und analytische qualität mehr beinhaltet. er bezeichnet ausschließlich den verbreitungsweg [und das mindestens missverständlich: wo ist denn DAS internet? es gibt millionen davon!].

der geltungsbereich meiner aussagen zu raummetaphern wurde aber von mir selbst auf „digitale kommunikation“ erweitert, was sicherlich etwas zu stark formuliert ist. deswegen in reaktion auf dein einhaken die korrektur: die gleichsetzung eines „virtuellen“, sozialen raumbegriffs mit goffmans explizit physischer raumkonzeption ist für soziale netzwerkseiten wie facebook naheliegend (und erklärungskräftig!), weil deren nutzung – neben den genannten eigenschaften allgegenwärtig und vielgestaltig – nicht nur a) explizit auf eine nach- und abbildung von „begegnungen im öffentlichen raum“ ausgerichtet ist, sondern auch b) besonders bei jugendlichen nutzern tief in den sozialen alltag intergriert ist. so tief, dass eine fundamentalunterscheidung der modi so behandelter beziehungen nach internet / nicht-internet eine ist, die von außen herangetragen wird und weder der eigenart des phänomens, noch den konstruktionen der akteurinnen rechnung trägt.

An- und Abwesenheit sind relativ (HP Lovecraft) und das Virtuelle ganz elementar ein Raum (N Stephenson). Nun kann ich hier immer wieder nach Belieben Science-Fiction ins Feld führen, um darauf hinzuweisen, das Wahrnehmung eine »slippery slope« ist. Aber das bringt Kommunikationswissenschaftler vielleicht nicht in dem gleichen Maße wie empathische Designer weiter.

Aber besonders die Rede, dass im »Internet […] die menschliche Wahrnehmung als wichtige Stütze wegfällt« stärkt einmal mehr meine Argumentation, das ein profunder Kognitionsbegriff notwendig ist.

Der Verwender von Facebook nimmt ja einiges und das sehr vielfältig wahr. Da werden ja riesige Datenmengen aus dem Monitor gepumpt, die unsere Augen ja kaum zum Gehirn transportieren können. Die Rückantwort in den Hinterraum des Bildschirm ist schwierig, die Sitzposition ist eingeschränkt, die Tasten sind kalt. Die Wahrnehmung des sozialen Netzwerks ist verschoben, aber nicht notwendigerweise verhindert.

So kann der ortsabwesende Facebook-Benutzer Wahrnehmungsfacetten verinnerlicht haben, die ihm eine, explizit auch sozial, effektive Kommunikation ermöglichen, eben gerade weil Nähe ermöglicht wird, was ohne soziales Netzwerk viel schwieriger, vielleicht gar nicht erreicht werden könnte. Etwa wenn kein Bus mehr fährt, nimmt der Verwender hier Wahrnehmungsdefizite explizit in Kauf. Blinde gehen ja auch gern wegen des Raumgefühls ins Kino.

Umgekehrt ist die räumliche Nähe von Angesicht zu Angesicht kein Garant für erfolgreichere Kommunikation, auch wenn hier hypothetisch mehr von den gewohnten Wahrnehmungsmustern im Spiel sind. Da sitzt man schonmal ne Stunde gemeinsam im Bus und der andere ist trotzdem nur im Netzwerk.

Nicht wenn es darum geht Kommunikation im Bus oder der U-Bahn zu vermeiden. Achte mal aus den Augenwinkeln darauf, wie die anderen Fahrgäste beständig versuchen den direkten Blickkontakt zu meiden. Bücher und iPhones sind noch die einfachsten und offensichtlichsten Mittel, das zu tun. Dann wäre die Kommunikation schon erfolgreich in Sinne einer Kommunikationsvermeidungskommunikation (Luhmann).

danke für den hinweis auf stephenson! das passt gut in meine argumentation 😉
ich denke, wir stimmen überein: menschliche wahrnehmung ist immer. und da gibt es auch keine richtige und falsche. da gibt es aber zum beispiel angezeigte und nicht-angezeigte (worauf das nahverkehrsbeispiel ja heraus will) und damit verbunden auch explizit und implizit wirksame.
für sozialwissenschaftler meiner geschmacksrichtung ist ein bestimmter fokus des deines „designer-begriffs“ von wahrnehmung interessant: die, die sinnhaft [also in welt-wahrnehmung als anschlussfähig eingeordnet] interpretiert und verfügbar gemacht wird – was explizit nicht nur auf wahrnehmung beschränkt ist, die in form von sätzen über wahrnehmung formulierbar ist. es gibt auch einen „sozialen sinn“, der sich durch begegnungen und konstellationen vollzieht, der den akteurinnen häufig zwangsläufig nicht bewusst ist.

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