Während hier also noch gestritten wird, ob wie und Blogs als Ausdrucks- und Arbeitsmittel der Wissenschaft Sinn machen, wird andernortens der digitale Wandel schon gelebt. Das Projekt „New Social Media, new Social Science?“, eine Kooperation u.a. vom Oxford Internet Institute, bietet z.B. kommenden Dienstag ein spannendes Webinar, ein im Internet vermitteltes Seminar, an. Kostenlos, öffentlich, mit begrenzter Kapazität aber sonst keinen Zugangsvoraussetzungen als einer gültigen E-Mail-Adresse.
Das soll jetzt nicht so klingen, als ob ich jedes Semester mehrere Webinare (das Wort klingt dann doch etwas bemüht) besucht hätte – Kommenden Dienstag ist mein Erstes. Aber jede/r, der Skype oder den Google Hangout schon zur Koordination von gemeinsamen Projekten oder Intimbeziehungen genutzt hat, weiß, wie nützlich und bis auf die Verzögerung wenig unnatürlich das ist.
Thema ist die Anwendung qualitativer Methoden im und für das Feld „Social Media“. Es werden zwei Präsentationen gehalten – „Opportunities and Challenges of Qualitative “Deep Data”“ (Janet Salmons) und „The Changing Role of the Qualitative Researcher Online“ (Kandy Woodfield) – und danach stehen drei Forscherinnen zur Verfügung, die vornehmlich zu und auf Facebook geforscht haben: Allison Deegan, Mike Behan und Dale Buckholtz. Und danach ist Zeit für Fragen, Beispiele und Probleme. Fast wie in einem richtigen Seminar (oder Kolloquium), nur ohne gemeinsames Getränk im Anschluss, weil zwischen einigen Teilnehmerinnen der Atlantik liegt.
Los geht es kommenden Dienstag, February 5th, um 17:00 CET, wer dabei sein will, sende eine Mail an claire.ashby@natcen.ac.uk um zu reservieren.
- UPDATE, Kurzer Erlebnisbericht:
Das Webinar fand via Blackboard statt, einer Java-basierten Konferenzsoftware. Die Usability war im Grunde gut, nur leider ist die Mikrophoneinstellung beim Betreten des Raums offenbar standardmäßig auf „Talk“ gestellt, was dazu führte, dass die erste Referentin in ihrem eigenen 40-fachen Echo unterging. Die tatsächliche Verbindungsqualität war zu keiner Zeit ein Problem und die Referentinnen, von fünf unterschiedlichen Orten auf zwei Kontinenten, waren immer verständlich und online.
Die Implementation einer Chatbox für Fragen während eines laufenden Vortrags empfand ich als sehr sinnvoll, da die Moderatorin so organisatorische und inhaltliche Fragen parallel beantworten konnte, ohne den Referenten zu unterbrechen. In Deutschland hat zumindest ein Professor eine ähnliche Funktion auch in seine face-to-face-Vorlesung eingebaut. Ich werde für einen anstehenden Workshop versuchen, eine ähnliche Funktion zu implementieren.
Inhaltlich war das Seminar zur Verwendung qualitativer Methoden für Online-Forschung insofern interessant, als die drei Forscherinnen im Panel praktische Einblicke in ihre Forschungen gaben. Ansonsten kam das Abstraktionsniveau nicht wirklich über das Feststellen methodologischer und theoretischer Herausforderungen hinaus. Interessant waren für mich die Zusammenfassung unterschiedlichen Ebenen der wissenschaftlichen Arbeit, die als durch Online-Kommunikation challenged beschrieben wurden: Forschungs-Ethik [Durchführung von Forschung], Mangel an integrierenden Ansätzen [Reflexionsebene] und überkommene Legitimations- und Veröffentlichungsprinzipien im Wissenschaftsbetrieb [Wissenschaft als Verlaufsform]. Im deutschen Diskurs wird das i.d.R. getrennt angesprochen: Paper zu Forschungsethik Online hier, Kritik an fehlenden Ansätzen da, Genörgel über überkommene Einstellungen zum Beispiel hier. Leider hat die Zeit nicht gereicht, um tatsächlich über diese Fragen ins Gespräch zu kommen.