Was hält Sozialrobotik zusammen?

C-3PO vs. Data by JD Hancock
Auf C-3PO und Data berufen sich Sozialrobotikforscherinnen sehr häufig, wenn sie ihre Arbeit beschreiben. | Foto: JD Hancock / flickr

Für mein Dissertationsprojekt frage ich unter anderem, welche „soziale Logik“ die Auswahl- und Entwicklungsprozesse der Sozialrobotik prägt. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist, dass es ein so zu bezeichnendes Feld – und eine darin wirksame Logik – überhaupt erst einmal gibt.

Und dass es eine gemeinsam geteilte Überschrift dazu gibt, ist noch kein Beleg dafür. Für das Feld der Servicerobotik – zu Teilen ein Vorgänger der Sozialrobotik – konnte vor einigen Jahren gezeigt werden, dass ein gemeinsamer Kern aus Theorien, Methoden, technischen Standards und kollektiv geteilten Deutungsmustern fehlt.

Deswegen gehört es zu meinen ersten Aufgaben, zu prüfen, wie es diesbezüglich im eher noch interdisziplinärerem Feld der Sozialrobotik aussieht. Wie ich im letzten Post schon zitiert habe, braucht es dazu unter anderem Standards. Zwei Ebenen auf denen diese Konventionen wirken können, will ich kurz diskutieren.

gemeinsam geteilte Ziele & kulturelle Bezugsgrößen

Eine Richtung in der Sozialrobotiker_innen (wenig überraschend?) sehr aktiv sind, ist das Herstellen symbolischer und medialisierter Bezüge zu Robotern aus der Populärkultur. An der Carnegie Melon University wurde 2004 zum Beispiel eine Roboter Hall of Fame gegründet, in der fiktionale Roboter (wie HAL aus 2001 – Odyssee im Weltall) neben physisch realisierten Forschungsrobotern Eingang gefunden haben. Zur öffentlichen Einführung der Ruhmeshalle sprach übrigens Anthony Daniels, der britische Schauspieler der für die Star Wars-Filme im C-3PO-Kostüm steckte. Ein anderes Beispiel, wie im Feld der Sozialrobotik popkulturelle Bezüge hergestellt werden, sind die „Baseball-Sammelkarten“ die GeorgiaTech für die laufende National Robotics Week entworfen hat.

Apropos National Robotics Week, diese landesweite Aktionswoche zeigt sehr gut, dass Robotikforschung generell als nationale beziehungsweise volkswirtschaftliche  und nicht zuletzt als militärische Unternehmung geführt wird. Das gilt zumindest für Japan, die USA, China und die EU.

Inwieweit beide Beobachtungen – der Bezug zu populärkulturellen Bildern und die Einbettung in nationale Entwicklungspläne – das Feld auch nach innen konstituieren, vermag ich noch nicht zu sagen. Zumindest lässt sich sagen, dass beides übergreifend zum argumentativen Kern der Selbstvergewisserung von Sozialrobotikforscher_innen gehört.

gemeinsam geteilte wissenschaftliche Standards

Wissenschaft soll hier das Sprachspiel heißen, nach dessen Regeln Wissenschaftlichkeit und vor allem die Anerkennung und damit Entlohnung als Wissenschaftler_in ausgehandelt wird. Diese sehr zweckrationale Zugang ist im Feld übrigens weitgehend geteilt. Klar ist gute Sozialrobotik, das was gut funktioniert – Da aber fast nirgendwo ein Sozialroboter hinreichend autonom in ungeschützten Umgebungen funktioniert, ist das wichtigere Abgrenzungskriterium sicherlich: Gute Sozialrobotik ist, was Forschungsmittel akquiriert. Ich habe mit Sozialrobotikforscher_innen gesprochen, die durch den Verzicht auf Militärforschungsmittel ihre Weiterbeschäftigung gefährdet haben. Unabhängig von ihren – teils international herausragenden – wissenschaftlichen Ergebnissen und Veröffentlichungen galt die Zahl der eingeworbenen Drittmitteln – auch in dieser Disziplin – mehr.

Standards, wie Sozialrobotik funktioniert / funktionieren soll sind im Feld noch nicht ganz etabliert. Ein wichtiger Bestandteil dazu wäre zum Beispiel eine Methodologie, beziehungsweise einem gemeinsam geteilten methodologischen Rahmen (Meister 2014: 115). Der Robocup@Home als auf ’natürliche Umgebungen‘ ausgerichteter Ableger des bekannten Roboter-Fußballturniers könnte im Hinblick auf Evaluationskriterien ein wichtiger Schritt auf dem Weg dahin sein.

gemeinsam geteilte technische Plattformen

In dieser Hinsicht sind in den vergangenen Jahren sicherlich die sichtbarsten Fortschritte erzielt worden. Mittlerweile sind sofort benutzungs- und programmierfähige Roboter-Plattformen für 20.000 Euro (Nao) oder sehr viel weniger (MyKeepon) auf dem Markt. Darüberhinaus stehen Hardware-Komponenten, wie die Microsoft Kinect für optische Sensorik,  preisgünstig zur Verfügung. Noch wichtiger: Es gibt eine mittlerweile OpenSource bereit gestellte Middleware, die die Kommunikation verschiedener robotischer Subsysteme (Lokomotion, Navigation, …) mit „höheren Applikationen“ erleichtert. Diese Entwicklungen hatten und haben zur Folge, dass nicht mehr nur Universitäten, die bereits seit Jahren eigene Plattformen haben, (Sozial-) Robotikforschung betreiben können.

Die bisher genannten technischen Faktoren sind nicht spezifisch für Sozialrobotik-Anwendungen. Aber auch dieser Ebene gibt es Entwicklungen, wie zum Beispiel automatisierte Annotations- und Interpretationssysteme für Videoaufnahmen von Mensch-Roboter-Interaktionen. Allerdings ist hier keine übergreifende Standardisierung zu erkennen, was am Gegenstand der Sozialrobotik liegen könnte: So kontextsensitive und komplexe Dinge wie soziale Interaktionen und Semantik lassen sich eben nur zu einem bestimmten Grad standardisieren.

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